Speziell die Situation für politische Beamte sei kritisch geworden aufgrund des neuen Disziplinarrechts, das, wie er darlegt, eine Klagelastumkehr bringt und möglicherweise in der Praxis aufgrund von Besorgnis vor Sanktionen die (sowieso seltene) Wahrnehmung der Pflicht zur Remonstration beeinträchtigen könnte.

Hinzu komme „eine starke Tendenz zu immer mehr Propaganda auf der einen und Zensur im weitesten Sinne auf der anderen Seite, sowohl in der Wissenschaft als auch im Bereich der Medien, und das wird staatlich unterstützt und ganz offiziell unter dem Stichwort Informationsmanagement zusammengefasst. Da kann man mehrere Elemente entdecken. Es gibt eine Art Pseudoaufklärung durch vermeintliche Experten, während Kritiker dekonstruiert, ausgegrenzt, stigmatisiert werden, Stichwort Fake News, Hass und Hetze.“

Morgenthaler zur Ausweitung der Strafbarkeit nach §188 StGB (Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung von Personen politischen Lebens):

„Das ist keine gute Entwicklung. Politiker müssen es sich gefallen lassen, scharf und polemisch kritisiert zu werden, auch delegitimierende Äusserungen sind legal. Das hat das Bundesverfassungsgericht immer wieder festgestellt. Man darf im Rahmen seiner Meinungsfreiheit selbstverständlich die Repräsentanten des Staates in dem Sinne delegitimieren, dass man ihre Politik lächerlich macht und versucht, sie blosszustellen. Es ist ja die Hauptaufgabe der politischen Opposition, die Regierung schlecht dastehen zu lassen, damit es zu einem Regierungswechsel kommt. Das ist Demokratie, und man darf auch den Staat als solchen kritisieren oder die Verfassung als solche, einschliesslich ihrer Grundprinzipien. Überschritten ist die Grenze erst, wenn man nachweisbar darauf ausgeht, die Grundordnung zu beseitigen oder ausser Kraft zu setzen.“

Morgenthaler gibt aber die Hoffnung nicht auf. Er setzt auf die Vernunft der Bürger, welche sich die vollständige Freiheit des Diskussionsraums zurückerobern kann:

„Die Demokratie wächst von unten her. … Und da ist die Hoffnung, dass durch dieses Für und Wider, durch Argument und Gegenargument sich nachher die Wahrheit schon herauskristallisieren wird. Und sich dann jeder eine Meinung bilden kann, und aufgrund dieser Meinungen wird wiederum im demokratischen Verfahren über Mehrheitsentscheidungen eine offizielle Entscheidung getroffen. Ohne offene Diskussion funktioniert das nicht.“

https://nzz.ch/international/hausdurchsuchung-wegen-lappalien-juraprofessor-warnt-vor-einschuechterung-ld.1860775