Sehr geehrter Herr Muttach,                                                                                                     

wenn Einzelne die Masken fallen lassen, entblößt sich manchmal eine hässliche Fratze. Doch das Antlitz der politischen Hetze bleibt diesmal unter der Maske der Opportunität regelkonform verdeckt.

Nicht zum ersten Mal habe ich sinnbildlich zu Stift und Papier gegriffen, um auf Ihre teilweise erschütternden Verfehlungen in Ihren Äußerungen zur aktuellen Lage zu reagieren. Nur diesmal habe ich nicht wieder beides resignierend beiseitegelegt, um schließlich doch auf Ihre Beiträge in Achern Aktuell und in der ARZ zu reagieren.

Dass unsere Bundesregierung entweder nicht weiß, was sie tut oder aber, schlimmer noch, sehr wohl weiß, was sie macht, treibt mittlerweile nicht nur die wachsende Zahl ihrer Kritiker um. Wissenschaftswidrige Entscheidungen, Rechtsbeugungen unvorstellbaren Ausmaßes und folgenlose Wortbrüche wechseln sich ab mit ausbordender Angstpropaganda und dilettantischem Missmanagement.

Die christdemokratische Einigkeit zieht sich dabei offensichtlich von der Europäischen Kommission bis in die Kommunalpolitik hinein durch. Ein weiteres Mal beansprucht Deutschland für sich eine Führungsrolle in der Welt. Dabei ist erschreckend zu sehen, mit welch fehlgeleiteter Härte abermals durchgesetzt werden soll, was weder nützlich noch gesund oder berechtigt ist, weder faktisch noch potentiell begründbar wäre, und weder wirtschaftlich noch gesellschaftlich oder gar individuell den entstehenden Schaden aufzuwiegen vermag.

Die heuchlerische Anteilnahme am Leid der einen verkehrt sich zum rücksichtslosen Angriff auf die Unversehrtheit der Schwächsten. Die beispiellos unverhältnismäßigen Eingriffe in die zivile Ordnung und unantastbare Freiheit der Bevölkerung ist ein Schlag ins Gesicht für jedes bisher in Kauf genommene, stumme und gesichtslose Zivilisationsopfer. Ihr prominent aufgemachter Beitrag auf dem Titel von Achern Aktuell und in der ARZ reiht sich dabei nahtlos ein in die Rhetorik der aktuellen politischen Agenda. Das Einzige, wovon Sie dabei scheinbar gedanklich und räumlich Abstand halten – um Ihre eigenen Worte aufzugreifen – sind die Demokratie und die Mitte der Gesellschaft.

Die gemeldeten Fallzahlen gleichzusetzen mit tatsächlichen Infektionen, ist im Frühjahr 2021 nur mit gleichgültiger Ignoranz erklärbar. Daraus den Erfolg des Lockdowns abzuleiten ist hingegen ebenso tollkühn, als würde man den Wandel des Klimas am heimischen Raumthermometer ablesen wollen. Doch sind es nicht die mittlerweile in den Hintergrund rückenden Details, die mich zu diesem Brief an Sie bewegen. Vielmehr ist es Ihre an den Tag gelegte Haltung im Umgang mit den Bürgern Ihrer Stadt, die ich unerträglich finde.

Es ist Ihre Pflicht, allem voran als Oberbürgermeister und Politiker, nicht zuletzt aber schlichtweg als Bürger und Mensch, gerade in vermeintlichen Krisenzeiten, die Gesellschaft zu einen und Differenzen über Dialog und Mediation zu überwinden. Ihr hetzerisches Verhalten aber wirkt genau dem entgegen und schürt durch verbale Ausgrenzung und Diffamierung die Spaltung der Menschen, deren Führung Sie für sich beanspruchen.

Zu erkennen, dass hinter Widerstand und Kritik immer Menschen mit berechtigten Bedürfnissen und gleichwertigen Ängsten stehen, welche es zu hören und aufzulösen gilt, geht Ihnen offenbar völlig ab. Alleine die Tatsache, dass Sie für Ihre Bemühungen die Schulen, Kindertagesstätten und den Einzelhandel wieder zu öffnen Anerkennung und Zuspruch erwarten, belegt Ihren völlig verklärten und unwissenschaftlichen Blick auf die gegenwärtige Situation. Vielmehr sollte die wiederholte, in Nutzen und Erforderlichkeit empirisch widerlegte, Schließung der genannten Einrichtungen und Geschäfte mit Verachtung gewürdigt werden. Von mir haben Sie dafür sicher keinen Dank zu erwarten.

Noch im September 2020 postulierte Ihr Parteikollege und unser Gesundheitsminister, dass es eine erneute Schließung von Frisören und des Einzelhandels mit dem Wissen von damals (welches nicht wenige auch schon viel früher Kund taten) nicht noch einmal geben wird, das würde nicht passieren. Lediglich zwei Monate später war es dann doch wieder soweit und dieser Zustand hält bis heute an.

Unter dem Deckmantel der Gutmenschlichkeit machen Sie sich an der nachhaltigen Schädigung jener Generationen, die ihr Leben noch vor sich haben, schuldig, um vermeintlich jenen Solidarität zu zollen, die selbiges in großen Teilen bereits hinter sich haben. Beim tatsächlichen Schutz der Risikogruppen schlussendlich versagt die Politik Ihrer Partei auf gesamter Linie katastrophal.

All jene, die der vor allem von den Regierungsparteien propagierten Angst vor einer schöpfungsbedrohenden Pandemie erlegen sind, stehen Menschen gegenüber, welche sich um die politisch geschürten und medial befeuerten gesellschaftlichen Entwicklungen in ihrem Heimatland sorgen. Während die einen sich durch das zu Unrecht regelwidrige Verhalten anderer bedroht fühlen, weil daraus vermeintlich eine unsichtbare, todbringende Gefahr resultiert, fürchtet sich eine stetig wachsende Gruppe von Kritikern der Regierungslinie vor so manchem gefährlich unreflektierten Gehorsam von offensichtlich zutiefst Verunsicherten.

Dies führt dazu, dass sich am Ende Nachbarn vor Nachbarn fürchten, Lehrer vor Schülern, Alte vor Kindern, Bürger vor Polizisten, Kranke vor Viren, Selbstständige vor Armut, Angestellte vor Arbeitslosigkeit, Journalisten vor Zensur, Ärzte vor Strafverfolgung, Kritiker vor Diffamierung und das Volk vor seiner Regierung. Menschen haben Angst vor anderen Menschen.

Es ist die Kapitulation Ihrer politischen Fähigkeiten über die Bankrotterklärung Ihrer Parteiführung wenn Ihre Bemühungen nicht darauf abzielen diesen Entwicklungen konstruktiv entgegenzuwirken anstatt sie medienwirksam an vorderster Front anzuführen. Sie machen sich mitschuldig an diesem Geschehen, mindestens durch Unterlassung, und unterstellen dadurch Teilen der Bevölkerung pauschal die vorsätzliche Gefährdung ihrer Mitmenschen.

Sie werden einer nicht wenig geschichtsträchtigen Stadt nicht nur als der Oberbürgermeister in Erinnerung bleiben, der den Ausbau der Radwege massiv vorangetrieben und das Aussehen Acherns mitgeprägt hat. Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach auch immer in Verbindung gebracht werden mit der Restauration und Wiederbelebung des Illenauer Areals. Und dabei sollten stets die überregionale Bedeutung und das segensreiche Wirken der damaligen Anstalt aus dem 19. Jahrhundert im Vordergrund stehen und der schwertragende Schleier der Kriegs- und Vorkriegsjahre des letzten Jahrhunderts nachhaltig gelüftet bleiben.

Tun Sie es den Herren Hergt und Roller gleich und bemühen Sie sich um die Menschen in Ihrer Stadt und um deren Verständigung. Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht, nicht nur für einen opportunen, öffentlichkeitswirksamen Teil, sondern gegenüber allen Bürgern. Bemühen Sie sich um Einigung, nicht um Spaltung. Seien Sie ein Bürgermeister und kein polemischer Hetzer. Erkennen Sie die wahre Gefahr für unseren Lebenswert und die Zukunft unserer Kinder. Sorgen Sie dafür, dass ich solche Zeilen nicht anonym an Sie richten muss.

Ein besorgter Familienvater und Bürger Ihrer Stadt.

Achern, März 2021