Prof. Dr. Rupert Scholz war Bundesverteidigungsminister und Berliner Justizsenator und gilt als einer der führenden Staatsrechtler der Bundesrepublik. Den persönlichen Artikel des »Verfassungsschutz«-Chefs bei der FAZ vom 2. April (»Die Meinungsfreiheit ist kein Freibrief«), bei dem er die ungewöhnliche Medienpräsenz und die Einmischung in die Tagespolitik seiner Behörde rechtfertigt, konnte er nicht unkommentiert lassen. Seine Antwort ist es wert, in voller Länge geteilt zu werden:

»Mit seinem tendenziösen Artikel hat der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, ein verräterisches Bekenntnis über sein wahres Demokratie- oder genauer gesagt undemokratisches Amtsverständnis abgelegt. Ein Verfassungsschutzpräsident, der behauptet, ›Die Meinungsfreiheit ist kein Freibrief‹, verkennt die maßgeblichen freiheitlichen Grundlagen unserer Demokratie, die naturgemäß auch die Kritik an Regierung und staatlichem Handeln gewährleistet. Jenseits des Strafrechts gibt es keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, die im Artikel 5 unseres Grundgesetzes garantiert ist und zum Kernbereich der Verfassung gehört. Ein Verfassungsschutzpräsident, der sich anmaßt, solche Schranken über den Rahmen des Strafrechts hinaus, quasi via Beschlüsse, durch Beobachtung oder willkürliche öffentliche Kommentierung einzuführen, verletzt die Verfassung. Er überschreitet dabei auch die eigenen, gesetzlich abgesteckten Kompetenzen. Wenn die Bundesregierung keine Konsequenzen aus dem Verhalten dieses hohen Beamten zieht, läßt sie selbst Zweifel an ihrem Demokratieverständnis aufkommen. — Professor Dr. Rupert Scholz, Verfassungsrechtler und Verteidigungsminister a. D., Berlin«